- Im Zuge des Ausstiegs aus Kernenergie und Kohleverstromung steuert Deutschland auf große Stromlücke zu
- Studie spricht sich für umfassenden Kapazitätsmarkt aus. Damit kann ein versorgungssicherer und klimaneutraler Strommarkt bis 2045 erreicht werden
- Kehler: „Nur wenn für Investoren und Betreiber zeitnah ein darstellbares Geschäftsmodell für vorgehaltene Kapazitäten entsteht, kann der Zubau benötigter Leistung rechtzeitig beginnen.“
Berlin, 6. Dezember 2022. Mit dem vorgezogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 und dem bevorstehenden Ende der Kernenergie in Deutschland droht eine massive Stromlücke. Das Beratungsunternehmen enervis hat im Auftrag von Zukunft Gas ein Konzept für den deutschen Strommarkt entwickelt, welches in der Lage ist, diese Lücke klimaneutral und zuverlässig zu schließen.
Eine Anpassung der bisherigen Marktmechanismen, bei der allein die gelieferte Strommenge vergütet wird, ist zwingend notwendig. Selbst unter optimistischen Annahmen gehen die Autoren der heute von Zukunft Gas präsentierten enervis-Studie davon aus, dass 2031 mindestens 15 Gigawatt an gesicherter Leistung fehlen werden. Diese Lücke wäre ohne den intensiven Ausbau der Erneuerbaren noch größer. Es besteht also Handlungsbedarf, erläutert Julius Ecke, Partner bei enervis energy advisors: „Die Erneuerbaren können nur liefern, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Jedoch fällt der höchste Energieverbrauch meist in den Abend- und Morgenstunden an, also genau dann, wenn dies nicht der Fall ist.“
Dieses Problem wird sich nach Eckes Ansicht durch den vermehrten Einsatz elektrischer Wärmepumpen und den Ausbau der Elektromobilität künftig noch verstärken. Deshalb brauche es den Zubau flexibel einsetzbarer Energie in Form von wasserstofffähigen Gaskraftwerken, Großbatterien, Pumpspeichern oder abschaltbaren Lasten. So kann genau dann Leistung bereitgestellt werden, wenn die Erneuerbaren gerade nicht zur Verfügung stehen.
„Mit unserem Vorschlag verbinden wir Klimaschutz und Versorgungssicherheit miteinander. Der aktuelle Strommarkt unterstützt ein solches Modell aber nicht,“ so Ecke weiter. „Im sogenannten ‘Energy only‘-Markt wird der Betreiber nur vergütet, wenn auch wirklich Strom fließt, wir wollen künftig auch dem Bereitstellen gesicherter Leistung einen Preis geben.“
Die Studienautoren sprechen sich daher für einen umfassende Kapazitätsmarkt aus, in dem eine Vergütung auch für vorgehaltene Energiekapazitäten stattfindet. Ähnliche Modelle sind in Ländern wie Großbritannien, Belgien oder auch Frankreich bereits praxiserprobt und wurden im Rahmen der Studie vergleichend analysiert.
Für die Gestaltung eines solchen Markts empfiehlt Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, eine Reihe von Grundprinzipien: „Wir wollen einen Wettbewerb zwischen den Technologien um das Gut der Versorgungssicherheit. Dann kann der Markt über ein effizientes Technologieportfolio entscheiden. Dafür benötigen wir unter anderem eine Rechtsgrundlage und eine zentrale Instanz, die die auszuschreibenden Kapazitätsmengen festlegt. Die Beschaffung dieser Kapazitäten erfolgt dann durch Auktionen, bei denen sich der Preis bildet.“ Wichtig, so Kehler weiter, „sind beispielsweise auch CO2-Faktoren, die im Ausschreibungsverfahren als Auswahlkriterien einfließen. So kann die Nutzung klimaneutraler und CO2-armer Kapazitäten angereizt und CO2-intensiver Kapazitäten ausgeschlossen werden. In Anbetracht der nahenden Versorgungslücke im Jahr 2031 muss das neue Strommarktdesign Anreize schaffen, zusätzliche Flexibilitäten in Form von Gaskraftwerken, Speichern und steuerbaren Stromlasten aus der Industrie zu schaffen. Nur wenn für Investoren und Betreiber zeitnah ein darstellbares Geschäftsmodell für vorgehaltene Kapazitäten entsteht, kann der Zubau benötigter Leistung rechtzeitig beginnen.“
Mit seinem Vorschlag leistet Zukunft Gas einen Beitrag zur Debatte über die Ausgestaltung des zukünftigen Strommarktdesigns, die im Rahmen der angekündigten „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zeitnah geführt werden soll.
Die vollständige Studie findet sich auf der Webseite von Zukunft Gas.