Erster Schritt für Carbon Management: CO2-Abscheidung

Die deut­sche Bun­des­re­gie­rung strebt mit dem Bun­des-Kli­ma­schutz­ge­setz die Kli­ma­neu­tra­li­tät des Lan­des bis 2045 an. Die­ses am­bi­ti­o­nier­te Ziel be­deu­tet, dass der Net­to­aus­stoß von Treib­haus­ga­sen bis 2045 auf null sin­ken muss. Ab 2050 ist so­gar ei­ne dau­er­haf­te CO2-Ne­ga­tiv­bi­lanz an­ge­strebt. Laut dem 6. Sach­stands­be­richts des Intergovernental Panel of Climate Change (IPCC) ist die schnel­le Sen­kung der Treib­haus­gas­emis­si­o­nen maß­geb­lich, um das Ziel, die glo­ba­le Erd­er­wär­mung auf 1,5 °C (bzw. deut­lich un­ter 2 °C) zu be­gren­zen, bis zum Jahr 2100 noch zu er­rei­chen. Drei von vier mo­del­lier­ten Kli­ma­pfa­den se­hen da­bei aus­drück­lich die Ab­schei­dung und ak­ti­ve Ent­nah­me von Kohlenstoffdioxid aus der At­mo­sphä­re und die an­schlie­ßen­de Spei­che­rung zur Ziel­er­rei­chung vor. Je nach Mo­dell müs­sen glo­bal zwi­schen 350 und 1.200 Mrd. Ton­nen CO2 ab­ge­schie­den und ge­spei­chert wer­den.

Das Bild zeigt eine Industrieanlage bzw. Zementwerk von oben aus der Luftperspektive. Auf dem Bild steht geschrieben: Webinar CO2-Abscheidung

Bye Bye, CO2: CO2-Abscheidung – Forschung trifft Praxis

In un­se­rer We­bi­nar­rei­he "Bye Bye, CO2" wid­men wir uns dem The­ma Carbon Ma­nage­ment – von den Grund­la­gen über Ab­schei­de-Tech­no­lo­gien und den Auf­bau der be­nö­tig­ten In­fra­struk­tur bis hin zu si­cher­heits­re­le­van­ten As­pek­ten und den re­gu­la­to­ri­schen Rah­men­be­din­gun­gen für CCU und CCS in Deutsch­land und Eu­ro­pa.

In die­ser Fol­ge liegt der Fo­kus auf der CO2-Ab­schei­dung an der Punkt­quel­le. Es wer­den die Pro­zes­se hin­ter ver­schie­de­nen Ab­schei­de-Tech­no­lo­gien er­klärt und Pra­xis­bei­spie­le vor­ge­stellt. Ge­mein­sam mit un­se­ren Stu­dio­gäs­ten be­leuch­ten wir die Po­ten­zi­a­le der Tech­nik und die He­raus­for­de­run­gen, die über­wun­den wer­den müs­sen, um von der For­schung in die prak­ti­sche An­wen­dung zu ge­lan­gen.

Die Facetten des Carbon Management

Car­bon Ma­nage­ment ist ein Ober­be­griff, der in der Re­gel drei Ar­ten von Pro­zess­ket­ten zu­sam­men­fasst:

  • CO2-Ab­schei­dung, Trans­port und Spei­che­rung (Carbon Capture and Storage, CCS),
  • CO2-Ab­schei­dung, Trans­port und an­schlie­ßen­de Nut­zung (Carbon Capture and Utilization, CCU) und
  • die direkte CO2-Ent­nah­me aus der At­mo­sphä­re (Carbon Dioxide Removal, CDR).

Al­le drei Pro­zess­ket­ten sinn­voll und ef­fi­zient auf­ei­nan­der ab­zu­stim­men, um zum ei­nen den nach­hal­ti­gen Um­gang mit schwer ver­meid­ba­ren CO2-Emis­si­o­nen und Rest­emis­si­o­nen zu ge­währ­leis­ten und zum an­de­ren die Stär­kung des In­dus­trie­stand­or­tes Deutsch­land vo­ran­zu­trei­ben, sind die Zie­le des Car­bon Ma­nage­ments.

Beitrag zum Erreichen der Klimaziele

Die Ab­schei­dung von CO2 aus der At­mo­sphä­re, aus Bio­mas­se so­wie aus in­dus­tri­el­len Punkt­quel­len muss ei­nen Bei­trag leis­ten, um die na­ti­o­na­len Kli­ma­zie­le si­cher zu er­rei­chen.

In der Pro­zess­ket­te von CDR oder CCU/S steht die CO2-Ab­schei­dung an ers­ter Stel­le. Wel­che Ver­fah­ren und Tech­no­lo­gien zur CO2-Ab­schei­dung ge­nutzt wer­den, hängt maß­geb­lich von der CO2-Quel­le und der je­wei­li­gen CO2-Kon­zen­tra­ti­on ab. Für die Ab­schei­dung von Kohlen­stoff­dioxid aus der At­mo­sphä­re (DAC) wer­den an­de­re Tech­no­lo­gien be­nö­tigt als bei­spiels­wei­se für die CO2-Ab­schei­dung aus dem Syn­the­se­gas von Bio­gas-Aan­la­gen und an­de­ren Kraft­wer­ken oder in In­dus­trie­pro­zes­sen, bei de­nen schwer ver­meid­ba­re CO2-Emis­si­o­nen ent­ste­hen.

Grund­sätz­lich wer­den un­ter­schied­li­che Ver­fah­ren und Tech­no­lo­gien für un­ter­schied­li­che CO2-Quel­len ver­wen­det. Da­bei müs­sen fol­gen­de CO2-Quel­len un­ter­schie­den wer­den:

  1. CO2 aus der At­mo­sphä­re
  2. CO2 aus Bio­mas­se
  3. CO2 aus In­dus­trie­pro­zes­sen
  4. CO2 aus Gas- und Öl­kraft­wer­ken

Verfahren für die CO2-Abscheidung in Industrieprozessen

Für die schwer ver­meid­ba­ren CO2-Emis­si­o­nen aus In­dus­trie­pro­zes­sen sind der­zeit zwei Ver­fahren be­son­ders re­le­vant.

Post-Combustion Capture

Das so­ge­nann­te Post-Combustion Capture ist ein Ver­fah­ren bei dem das Gas­ge­misch aus ei­ner Punkt­quel­le, zum Bei­spiel aus ei­nem Ze­ment­werk, ei­ner An­la­ge zu­ge­führt wird, die das CO2 ab­schei­den kann. Bei die­sem Ver­fah­ren wird au­ßer der Ab­küh­lung des Ga­ses auf 40–60 Grad Cel­si­us kei­ne An­pas­sung oder Vor­be­hand­lung des CO2-hal­ti­gen Ga­ses be­nö­tigt.

Mög­lich­kei­ten der Ab­schei­dung sind die Amin­wä­sche oder Car­bo­na­te Loo­ping. Bei der Amin­wä­sche wird das CO2 che­misch von den Ami­nen in ei­ner so­ge­nann­ten Wasch­lö­sung ab­sor­biert. Die ge­sät­tig­ten Ami­ne bzw. die Lö­sung wird dann auf 100–140 Grad Cel­si­us er­hitzt, wo­bei ein Groß­teil des CO2 wie­der gas­för­mig wird und dann in­ner­halb der An­la­ge ab­ge­schie­den wird. Beim Car­bo­na­te Loo­ping han­delt es sich um ein che­mi­sches Ab­sorp­ti­ons­ver­fah­ren, bei dem CO2 an ein fes­tes Ab­sor­bens, z. B. Kal­zi­um­oxid, ge­bun­den wird. Es wird auch als tro­cke­nes Ab­sorp­ti­ons­ver­fah­ren be­zeich­net. Das in die­sen Pro­zes­sen ab­ge­schie­de­ne CO2 wird im letz­ten Schritt ge­rei­nigt und ver­dich­tet, um es für die Ein­spei­che­rung (CCS) oder die Nut­zung (CCU) trans­por­tie­ren zu kön­nen.

Oxyfuel Combustion Capture

Ein weiteres Verfahren, dass vor allem bei der Abscheidung von Kohlen­stoff­dioxid aus Gasgemischen verwendet wird, ist das sogenannte Oxyfuel Combustion Capture. Bei diesem Prozess werden kohlen­wasser­stoff­basierte Energieträger  nicht mit Luft, sondern mit reinem Sauerstoff verbrannt. Dabei entsteht ein Gasgemisch, dass nur aus CO2 und Wasserdampf  besteht und einen CO2-Anteil von rund 80 Prozent enthält. Durch die anschließende Kondensation des Wasserdampfs erhält man dann reines CO2. Der vorgelagerte Prozess der Luftzerlegung, also der Trennung des Sauerstoffs von der Umgebungsluft, bedarf allerdings weiterer Energie.

Dieses Verfahren ist durch die relativ einfache Abscheidung des CO2 verhältnismäßig energieeffizient: der entstandene Wasserdampf muss dann nur noch auskondensiert werden und gasförmige Begleitstoffe wie Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2), Argon (Ar) und Schwefeloxide (Sox) abgeschieden werden.  

CO2 di­rekt der At­mo­sphä­re ent­zie­hen: Direct Air Capture

Ne­ben der Ab­schei­dung von schwer ver­meid­ba­ren CO2-Emis­si­o­nen aus In­dus­trie­ab­ga­sen ist die ak­ti­ve Ent­nah­me von CO2 aus der Erd­at­mo­sphä­re ein wei­te­rer Bau­stein des Car­bon Ma­nage­ments. Das im Jahr 2020 auf­ge­leg­te För­der­pro­gramm CDRterra nimmt die Mög­lich­kei­ten von Car­bon Dio­xi­de Removal-Tech­no­lo­gien (CDR-Tech­no­lo­gien) in den Blick. Die For­schung ist er­geb­nis­of­fen und um­fasst na­tür­li­che und tech­ni­sche CO2-Sen­ken.

Beim DAC-Ver­fah­ren wird die Um­ge­bungs­luft an­ge­saugt und so­mit der An­la­ge zu­ge­führt. Je nach Tech­no­lo­gie rea­giert das CO2 aus der Luft mit be­stimm­ten Stof­fen und Ma­te­ri­a­lien, um dann von den rest­li­chen Kom­po­nen­ten der zu­ge­führ­ten Luft ab­ge­trennt zu wer­den. Um mög­lichst we­nig an­de­re Kom­po­nen­ten aus der Luft ab­zu­scheiden und ei­nen ho­hen Rein­heits­grad zu ge­währ­leis­ten, ge­schieht die Ab­schei­dung che­misch. In ei­nem zwei­ten Schritt wird das Koh­len­di­o­xid durch Wär­me­zu­fuhr aus dem je­wei­li­gen Ma­te­ri­al ab­ge­trennt, an dem es rea­giert hat.

Durch Direct Air Capture (DAC) kön­nen Ne­ga­tiv­emis­si­o­nen er­zeugt wer­den. Das Ver­fah­ren be­nö­tigt al­ler­dings ei­nen re­la­tiv ho­hen Ener­gie­auf­wand. Zu­dem kann auf­grund der re­la­tiv ge­rin­gen CO2-Kon­zen­tra­ti­on in der Um­ge­bungs­luft nur ei­ne ver­gleichs­wei­se ge­rin­ge CO2-Men­ge pro Ku­bik­me­ter ab­ge­schie­den wer­den. Den­noch wer­den auch DAC-Pro­zes­se ei­nen Bei­trag für die er­for­der­li­chen Ne­ga­tiv­emis­si­o­nen leis­ten kön­nen.

Mit Carbon Capture zu Negativemissionen

Hy­bri­de An­sät­ze kom­bi­nie­ren na­tür­li­che und tech­ni­sche CDR-Ver­fah­ren. Be­son­ders viel­ver­spre­chend ist der BECCS-An­satz. Die Ab­kür­zung steht für Bioenergy with Carbon Capture and Storage. Da­bei wer­den die bei der Ver­bren­nung von Bio­mas­se ent­ste­hen­den CO2-Emis­si­o­nen ab­ge­schie­den und ge­spei­chert.

Ein Bei­spiel da­für bie­tet ein Pro­jekt im bay­e­ri­schen Reim­lin­gen, dass im Jahr 2022 mit dem In­no­va­ti­ons­preis der deut­schen Gas­wirt­schaft aus­ge­zeich­net wur­de. Die Un­ter­neh­men Land­wär­me und Re­ve­ri­on ha­ben da­zu die vor Ort be­ste­hen­de Bio­gas-Auf­be­rei­tungs­an­la­ge um Hoch­tem­pe­ra­tur-Fest­oxid-Brenn­stoff­zel­len er­gänzt. Die Pro­jekt­part­ner nut­zen die Tat­sa­che, dass die CO2-Ab­schei­dung bei der Bio­gas­-Auf­be­rei­tung oh­ne­hin be­reits ein Teil des Pro­zes­ses ist. Die Brenn­stoff­zel­len ver­stro­men das Bio­me­than di­rekt am Stand­ort und füh­ren auch die da­bei ent­ste­hen­den CO2-Emis­si­o­nen der Spei­che­rung zu. Im re­ver­sib­len Be­trieb kön­nen die Brenn­stoff­zel­len zu­dem aus re­ge­ne­ra­tiv er­zeug­tem Strom grü­nen Was­ser­stoff pro­du­zie­ren. Die Pi­lot­an­la­ge in Reim­lin­gen soll rund 10.000 Ton­nen CO2 pro Jahr spei­chern. Aus­ge­rollt auf al­le ak­tu­ell in Deutsch­land be­ste­hen­den Bio­me­than­an­la­gen liegt das Spei­cher­po­ten­zi­al bei 2,5 Mil­li­o­nen Ton­nen pro Jahr. Da das CO2 aus Bio­mas­se stammt, han­delt es sich hier­bei dann um ne­ga­ti­ve CO2-Emis­si­o­nen.

CO2 speichern

Für den nach­hal­ti­gen Um­gang mit ab­ge­schie­de­nen schwer ver­meid­ba­ren CO2-Emis­si­o­nen und zur Er­zeu­gung von Ne­ga­tiv­emis­si­o­nen, muss das ent­nom­me­ne CO2 dau­er­haft ge­spei­chert wer­den muss. Für die geo­lo­gi­sche Spei­che­rung von CO2 kom­men im We­sent­li­chen lee­re Öl- und Erd­gas­-La­ger­stät­ten so­wie tief­lie­gen­de Salz­was­ser-füh­ren­de Sand­stein­schich­ten (sa­li­ne Aqui­fe­re) in Fra­ge. Da­für muss das CO2 ent­spre­chend über Rohr­lei­tun­gen oder an­de­ren Trans­port­mit­teln zu ge­eig­ne­ten Spei­cher­or­ten trans­por­tiert wer­den.

Län­der wie Ka­na­da und Nor­we­gen spei­chern schon seit Jah­ren er­folg­reich CO2. Mit dem Nord­see­spei­cher­pro­jekt Northern Lights wird künf­tig schwer ver­meid­ba­res CO2 aus der Me­tall- und Ze­ment­in­dus­trie im Ge­stein un­ter der Nord­see­ ge­spei­chert. In Dä­ne­mark ist mit dem Pi­lot­pro­jekt Greensand ein Teil der neu­en, sich im Auf­bau be­find­li­chen, Län­der­gren­zen über­grei­fen­den CCS-In­fra­struk­tur ent­stan­den. Und auch Is­land gilt als Vor­rei­ter für Car­bon Capture Tech­no­lo­gien. Sie al­le sind gu­te Bei­spie­le für ei­ne er­folg­reich funk­ti­o­nie­ren­de CO2-Stra­te­gie und Teil ei­ner künf­ti­gen eu­ro­pa­wei­ten CO2-Trans­port- und Spei­cher­in­fra­struk­tur.

Die Industrie braucht  Kohlenstoff

Das ab­ge­trenn­te und auf­be­rei­te­te CO2 kann auch in den Wirt­schafts­kreis­lauf zu­rück­ge­führt wer­den. Bis­her wird CO2 in ers­ter Li­nie als Ab­fall­pro­dukt be­trach­tet. Da­bei ist Koh­len­stoff­di­o­xid ein be­gehr­ter Roh­stoff für in­dus­tri­el­le Pro­zes­se, zum Bei­spiel für die Her­stel­lung von Harn­stoff. Grund­le­gen­de In­dus­trien wie die Me­tall­er­zeu­gung oder che­mi­sche In­dus­trie sind auf Koh­len­stoff an­ge­wie­sen.

Da­rü­ber hi­naus wird es auch in ei­nem kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­sys­tem Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren ge­ben, in de­nen auch künf­tig CO2 emit­tiert wird, so­ge­nann­te schwer ver­meid­ba­re CO2-Emis­si­o­nen. So wer­den zum Bei­spiel in der Ze­ment­pro­duk­ti­on bei der Her­stel­lung von Brannt­kalk grö­ße­re Men­gen CO2 frei­ge­setzt. Durch die Mög­lich­kei­ten der Ab­schei­dung kann künf­tig die­ses CO2 als wert­vol­ler Roh­stoff nutz­bar ge­macht wer­den. Die Be­trach­tung von CO2 als Roh­stoff und die Ent­wick­lung ei­ner Kreis­lauf­wirt­schaft ist ein wich­ti­ger Be­stand­teil des Car­bon Ma­nage­ments.

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