Bis 2030 müssen 20 bis 30 leistungsfähige Gas-Kraftwerke gebaut werden, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können, damit Deutschland aus der Kohle aussteigen kann – ohne den Wirtschaftsstandort zu gefährden.
Denn mit dem Kohleausstieg gehen dem Energiesystem relevante Mengen an gesicherter Leistung verloren. Um den Zubau der notwendigen Kraftwerke zu gewährleisten, braucht es die entsprechenden wirtschaftlichen Anreize für Investoren, in neue Gas-Kraftwerke zu investieren. Angesichts der bevorstehenden Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten für neue Kraftwerke drängt die Zeit: Es dauert inklusive Genehmigungsverfahren mindestens fünf bis sechs Jahre, bis der erste Strom erzeugt werden kann – und die Zeit läuft erst ab dem Zeitpunkt eines entsprechenden Rechtsrahmens. Das Ziel der Klimaneutralität 2045 und der angestrebte Kohleausstieg 2030 machen daher eine Kraftwerksstrategie zu einem dringlichen Kernthema der Klima- und Energiepolitik.
Erste Eckpunkte wurden bereits im August 2023 vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellt: 8,8 GW an reinen Wasserstoff-Kraftwerken, weitere 15 GW an Wasserstoff-Kraftwerken, die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können – und zehn dieser 15 GW schon bis 2026. Gleichzeitig soll bis dahin bis zu 80 Prozent des Stromverbrauchs bereits über erneuerbare Energien gedeckt werden – auch das benötigt weitere Bemühungen in den Ausbau der Erneuerbaren, die im 1. Halbjahr 2024 einen Anteil von 57 Prozent am Bruttostromverbrauch erreichten. So soll die Stromnachfrage ab 2030 ohne Kohle befriedigt werden.
Allerdings fehlt weiterhin ein detailliertes Konzept, das innerhalb der Regierung abgestimmt ist und das von der EU-Kommission gebilligt wurde. Im August 2024 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen hybriden Ansatz als Strommarktdesign der Zukunft vor. Er soll Elemente eines zentralen und eines dezentralen Kapazitätsmarkts kombinieren. Das ist auf den ersten Blick attraktiv, da es sehr viele Interessensgruppen abdeckt. In der Praxis wird dieses Modell aber schwer umsetzbar, ineffektiv und fehleranfällig sein. Denn die Kombination aus langen Vorlaufzeiten für zentrale Ausschreibungen und kurzfristig handelbaren Zertifikaten im dezentralen Teil schafft regulatorische Unsicherheiten und erhöht das Risiko von Preisschwankungen, wie auch aktuelle Analysen zeigen. Zudem ist die beihilferechtliche Genehmigung eines vollständig neuen Modells durch die EU-Kommission vollkommen offen. Gerade diese Unsicherheit schreckt Investoren ab, statt sie zu ermutigen.
Was tun? Stattdessen sollte auf eine Lösung gesetzt werden, die in der EU bereits etabliert wurde, die keine Haushaltsmittel erfordert und die volkswirtschaftlich günstiger ist als das vorgeschlagene Konzept: Ein umfassender Kapazitätsmarkt, der die regelbaren Kraftwerkskapazitäten in den Wettbewerb stellt. Durch ein geschicktes Design eines Kapazitätsmarktes lassen sich unterschiedliche Technologien und gewünschte Standorte anreizen. Viele Beispiele aus dem Ausland, wie in Belgien, zeigen die Wirksamkeit und die Kostenvorteile einer marktbasierten Lösung gegenüber der in Deutschland präferierten Einzelausschreibungen. Die eingetretene Verzögerung im Umbau des Kraftwerksparks ließe sich durch diesen neuen Ansatz vermutlich nicht aufholen, allerdings besteht nun die Chance für einen Neustart. Dieser könnte es ermöglichen, die Ziele sicher zu erreichen und dabei die Bürgerinnen und Bürger nicht über Gebühr zu belasten.