Infolge der wachsenden Nachfrage nach Strom, dem Ende der Kernenergie und dem geplantem Kohleausstieg bis 2030 steuert Deutschland ab 2031 auf einen gravierenden Mangel an gesicherter Leistung zu. Das bedeutet, dass uns an Tagen, an welchen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, zu wenig Energie zur Verfügung stehen wird. Die Lücke wird laut Analysen mindestens 15 Gigawatt betragen – das entspricht der Leistung von 20 bis 30 Kraftwerken.
Wir brauchen also den Zubau von Kraftwerken, welche mit neuen Gasen wie Biomethan, Wasserstoff oder seinen Derivaten betrieben werden können. Sie sind das Back-up der Energiewende und springen dann ein, wenn das volatile Angebot der erneuerbaren Energien aufgrund der sogenannten Dunkelflaute nicht ausreicht oder die Stromspitzen nicht abdecken kann.
Dafür fehlt es jedoch an nötigen Investitionsanreizen. Denn der jetzige deutsche Strommarkt ist ein "Energy-only"-Markt: Strom wird nur dann vergütet, wenn er auch fließt. Dieses Prinzip war in der Vergangenheit sinnvoll, ist jedoch für den Betrieb von Kraftwerken im Zuge der Energiewende nicht geeignet. Denn Betreiber gesicherter Leistung sollen Kapazitäten zwar beständig vorhalten, jedoch nur bei Bedarf einspeisen. Ohne eine Vergütung des Vorhaltens ist ein wirtschaftlicher Betrieb solcher Kraftwerke somit kaum möglich. Ein Beispiel für Deutschland könnte dabei Belgien sein. Das Land hat, ähnlich wie Großbritannien, Irland, Italien und Polen, einen sogenannten umfassenden Kapazitätsmarkt etabliert, welcher eben jenes Problem angeht.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie von enervis im Auftrag von Zukunft Gas hat ein ausführliches Konzept für einen umfassenden Kapazitätsmarkt in Deutschland vorgelegt. Hierbei ermittelt der Übertragungsnetzbetreiber Kapazitätsengpässe und schreibt diese in mehrstufigen, transparenten Auktionen aus. Dabei wird keine Unterscheidung zwischen den Technologien gemacht, die Ausschreibungen finden im selben Segment statt. Gemeinsame Voraussetzung ist lediglich die Erfüllung von Anforderungen an Kosteneffizienz und einer Ausrichtung am Ziel der Klimaneutralität. Infolge entsteht Wettbewerb und der Markt entscheidet über das beste Portfolio. Ein solches Strommarktdesign würde ein Geschäftsmodell für Betreiber gesicherter Leistung im Zuge der Energiewende schaffen und damit den dringend benötigten Kraftwerkszubau wieder anreizen.
Doch die Umsetzung solcher Mechanismen kostet viel Zeit. Von der Planung bis zur ersten Auktion dauerte die Einführung des umfassenden Kapazitätsmarkts in Belgien mehr als sieben Jahre. Wenn wir bis 2030 sicher aus der Kohle aussteigen wollen, müssen wir daher zügig handeln und das Modell eines Kapazitätsmarkts in der neuen Kraftwerksstrategie berücksichtigen.