Grüner Stahl: Wasserstoff statt Kohle

Stahl fin­det sich in vie­len un­se­rer Le­bens­be­rei­che wie­der: Das ver­edel­te Me­tall ist aus Bau­we­sen, Au­to­mo­bil­in­dus­trie und Ma­schi­nen­bau nicht weg­zu­den­ken. Und auch Pro­duk­te, die nicht un­mit­tel­bar aus Stahl be­ste­hen, sind von dem Ma­te­ri­al ab­hän­gig – durch die Ma­schi­nen, in de­nen sie pro­du­ziert wer­den. Al­lein in Deutsch­land liegt der pro Kopf Be­darf bei rund 180 Ki­lo­gramm Stahl pro Jahr. Die Stahl­pro­duk­ti­on ist nach wie vor stark durch den Ener­gie­trä­ger Koh­le ge­prägt und ver­ur­sacht enor­me Men­gen an CO2-Emis­si­o­nen. Auch die­ser In­dus­trie­zweig muss grün wer­den – zu­nächst auf Ba­sis von Erd­gas, spä­ter dann auf Ba­sis von Was­ser­stoff.

Deutsch­land ist der größ­te Stahl­pro­du­zent in Eu­ro­pa und die Num­mer sie­ben welt­weit. Je­des Jahr pro­du­zie­ren die deut­schen Hüt­ten­wer­ke rund 40 Mil­li­o­nen Ton­nen Stahl. Der Jah­res­um­satz liegt bei et­wa 30 Mil­li­ar­den Eu­ro. Rund 90.000 Men­schen ver­die­nen in der Stahl­in­dus­trie ih­ren Le­bens­un­ter­halt.

Oh­ne Fra­ge, die Stahl­pro­duk­ti­on in Deutsch­land ist ei­ne Schlüs­sel­in­dus­trie. Ne­ben der ei­ge­nen Spar­te ist sie eng mit an­de­ren Bran­chen ver­zahnt – al­len vo­ran mit der Au­to­mo­bil­bran­che und den Zu­lie­fer­be­trie­ben, eben­so aber auch mit dem Ma­schi­nen­bau, der letzt­lich die Grund­la­ge für al­le wei­te­ren Pro­duk­ti­ons­be­rei­che bil­det. Kurz: Oh­ne Stahl geht es nicht.

Der Hochofen – konventionelle Stahlproduktion 

Die klas­si­sche Her­stel­lung von Stahl er­folgt über die deut­sche Hoch­ofen­rou­te. Ei­sen­erz wird ge­mein­sam mit fast rei­nem Koh­len­stoff (Koks) in den Hoch­ofen ge­schich­tet. Ei­sen (Fe3O4) liegt in der Na­tur nur in oxi­dier­ter Form vor. Um rei­nes Ei­sen zu ge­win­nen, muss der Sau­er­stoff ab­ge­trennt wer­den. Da­für sorgt der bei der Ver­bren­nung von Koks ent­ste­hen­de Koh­len­stoff – er bin­det den im Ei­sen­erz ent­hal­te­nen Sau­er­stoff. Das so ent­ste­hen­de Roh­ei­sen wird an­schlie­ßend über bei­spiels­wei­se das Elek­tro­stahl­ver­fah­ren zu Stahl wei­ter­ver­ar­bei­tet. Bei dem Pro­zess ent­steht al­ler­dings ne­ben Roh­ei­sen auch CO2.

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren und Jahr­zehn­ten ha­ben die Stahl­pro­du­zen­ten die­sen klas­si­schen Pro­duk­ti­ons­pro­zess im­mer wei­ter op­ti­miert. In der po­si­ti­ven Fol­ge pro­du­ziert Deutsch­land heu­te Stahl zu den welt­weit bes­ten Be­din­gun­gen. Durch neue Tech­no­lo­gien, in de­nen ne­ben Koh­le auch Gas und Strom zum Ein­satz kom­men, re­du­zier­te sich der Ener­gie­ver­brauch in der Roh­stahl­her­stel­lung von 1990 bis 2021 um 11,3 Pro­zent. Das al­lein spar­te knapp 12 Pro­zent der CO2-Emis­si­o­nen der Bran­che ein. Ak­tu­ell nut­zen die Stahl­pro­du­zen­ten pro Jahr 22 TWh be­zie­hungs­wei­se 2,1 Mrd. Ku­bik­me­ter Erd­gas. Das klingt zu­nächst viel, deckt al­ler­dings ge­ra­de ein­mal ein Zehn­tel des Ener­gie­be­darfs. 77 Pro­zent der be­nö­tig­ten Ener­gie lie­fert nach wie vor Koh­le.

Das Ein­dü­sen von Was­ser­stoff als Re­duk­ti­ons­mit­tel in den Hoch­ofen an­stel­le der bis­lang ver­wen­de­ten Ein­blas­koh­le kann als wei­te­re tech­ni­sche Op­ti­mie­rung die CO2-Emis­si­o­nen der Stahl­in­dus­trie im klas­si­schen Her­stel­lungs­ver­fah­ren zu­sätz­lich re­du­zie­ren. Tech­nisch ist da­durch al­ler­dings "nur" ei­ne Sen­kung von bis zu 20 Pro­zent der Emis­si­o­nen mög­lich. Ein wich­ti­ger Schritt für die Trans­for­ma­ti­on der In­dus­trie, der je­doch für das Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät nicht aus­reicht. Die tech­ni­schen Gren­zen in der Op­ti­mie­rung der klas­si­schen Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren sind zu­neh­mend er­reicht.

Der Weg zur Klimaneutralität

Direktreduktion – die Zukunft der Stahlerzeugung 

Um die Strahl­pro­duk­ti­on in Deutsch­land bis zum Jahr 2045 kli­ma­neu­tral zu ge­stal­ten, sind neue Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se nö­tig. Und auch mög­lich. Die Salz­git­ter AG zeigt mit dem SALCOS Pro­jekt den Weg zur Trans­for­ma­ti­on der Stahl­bran­che auf. Das Hüt­ten­werk Salz­git­ter ver­deut­licht da­bei noch ein­mal die Di­men­si­o­nen des CO2-Aus­sto­ßes die­ses In­dus­trie­zweigs: Es ver­ur­sacht ak­tu­ell rund 10 Pro­zent al­ler CO2-Emis­si­o­nen in Nie­der­sach­sen, was auf die Bun­des­ebe­ne um­ge­rechn­et rund ei­nem Pro­zent al­ler deut­schen CO2-Emis­si­o­nen ent­spricht. Da­bei ist Salz­git­ter nur ei­nes von sechs in­te­grier­ten Hüt­ten­wer­ken, die es in Deutsch­land gibt. Nach der Um­set­zung des SALCOS Pro­jekts soll sich der ak­tu­el­le CO2-Aus­stoß um mehr als 95 Pro­zent re­du­zie­ren.

Der Schlüs­sel, um die­ses Ein­spar­po­ten­zi­al zu öff­nen, ist ein Fuel Switch, al­so die kom­plet­te Um­stel­lung des Her­stel­lungs­pro­zes­ses, so­dass der Stahl kli­ma­neu­tral pro­du­ziert wird. Am Stand­ort Salz­git­ter ent­steht ei­ne An­la­ge zur Di­rekt­re­duk­ti­on, die zu­nächst mit Erd­gas und schließ­lich mit Was­ser­stoff be­trie­ben wird.

Bei der Was­ser­stoff­ba­sier­ten Di­rekt­re­duk­ti­on – kurz: DRI für Direct Reduced Iron – wer­den Ei­sen­erz-Pel­lets in ei­nem Schaft­ofen ge­ge­ben. In die­sem um­strömt Was­ser­stoff (H2) die Ei­sen­erz-Pel­lets. Bei aus­rei­chend zu­ge­führ­ter Ener­gie, rea­gie­ren die Was­ser­stoff­mo­le­kü­le mit dem ent­hal­te­nen Sau­er­stoff. An­stel­le von CO2, das beim kon­ven­ti­o­nel­len Stahl­ko­chen ent­steht, bil­det sich bei der Di­rekt­re­duk­ti­on H2O, das als Was­ser­dampf ent­weicht.

Die Tem­pe­ra­tu­ren in der Di­rekt­re­duk­ti­ons­an­la­ge sind ge­rin­ger als im Hoch­ofen, es ent­steht bei dem Pro­zess an­stel­le von flüs­si­gem Roh­ei­sen ein fes­ter Ei­sen­schwamm. Die­ser lässt sich im Elek­tro­licht­bo­gen­ofen oder im klas­si­schen Schmelz­ofen wei­ter­ver­ar­bei­ten.

Schritt für Schritt zu grünem Stahl 

Die Trans­for­ma­ti­on des Hüt­ten­werks Salz­git­ter ver­läuft bei vol­lem Be­trieb des Werks oh­ne Re­du­zie­rung der Pro­duk­ti­ons­men­ge oder der Stahl­qua­li­tät in drei Aus­bau­stu­fen. Bis En­de 2025 soll ne­ben ei­ner ers­ten Di­rekt­re­duk­ti­ons­an­la­ge zu­sätz­lich ein Elek­tro­licht­bo­gen­ofen und ein 100 MW Elek­tro­ly­seur zur Pro­duk­ti­on von grü­nem Was­ser­stoff ent­stehen. Die Salz­git­ter AG in­ves­tiert da­für in den Stand­ort rund zwei Mil­li­ar­den Eu­ro, wo­bei Bund und Land das Pro­jekt mit rund ei­ner Mil­li­ar­de Eu­ro för­dern. Be­reits die ers­te Aus­bau­stu­fe er­mög­licht ei­ne Re­duk­ti­on des CO2-Aus­sto­ßes um 30 Pro­zent. In Aus­bau­stu­fe 2 bis En­de 2030 sol­len die Emis­si­o­nen um 50 Pro­zent und in Aus­bau­stu­fe 3 bis 2033 um 95 Pro­zent im Ver­gleich zu heu­te sin­ken.

Die Um­stel­lung des Her­stel­lungs­pro­zes­ses ist ak­tu­ell die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die Stahl­er­zeu­gung künf­tig kli­ma­neu­tral zu ge­stal­ten. Für die Um­stel­lung der ge­sam­ten Pri­mär­stahl­rou­te in der Stahl­pro­duk­ti­on Deutsch­lands auf CO2-ar­me Ver­fah­ren fal­len Stu­dien zu­fol­ge Kos­ten von 10 Mil­li­ar­den Eu­ro bis 2030 und von wei­te­ren 30 Mil­li­ar­den Eu­ro bis 2050 an.

Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass bis zum Jahr 2030 oh­ne­hin rund die Hälf­te der deut­schen Er­zeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten das En­de ih­rer Le­bens­dau­er er­rei­chen. Ein ech­ter Quick-win, denn schnel­le po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen vo­raus­ge­setzt bie­tet sich hier die Chan­ce für eine kli­ma­freund­li­che Mo­der­ni­sie­rung der An­la­gen.

Sekundärstahlproduktion – Strom und Wasserstoff als Team 

Der Werk­stoff Stahl bie­tet den Vor­teil, dass er sich oh­ne Qua­li­täts­ver­lust im­mer wie­der re­cy­celn lässt. Re­cy­cling­stahl bie­tet da­her ei­ne wich­ti­ge zwei­te Op­ti­on, CO2-Emis­si­o­nen der Stahl­in­dus­trie in der Her­stel­lung zu re­du­zie­ren. Da­bei wird in Elek­tro­licht­bo­gen­öfen Schrott mit­hil­fe von Öko­strom ge­schmol­zen. Ak­tu­ell wer­den 70 Pro­zent des in Deutsch­land pro­du­zier­ten Stahls als Pri­mär­stahl auf der Hoch­ofen­rou­te und 30 Pro­zent als Re­cy­cling­stahl auf der Elek­tro­stahl­rou­te pro­du­ziert. Man­che Werk­stü­cke las­sen sich auf­grund ih­rer Form und Ab­mes­sung nicht elek­trisch er­hit­zen. Bei der Wei­ter­ver­ar­bei­tung über Hoch­tem­pe­ra­tur­pro­zes­se wird dann Was­ser­stoff ei­ne ho­he Be­deu­tung er­lan­gen.

Die Stahlindustrie als Treiber des Wasserstoffhochlaufs 

Der Ener­gie­hun­ger der Stahl­pro­duk­ti­on Deutsch­lands schafft ei­nen Ab­satz­markt für Was­ser­stoff und da­mit ei­ne wich­ti­ge Vo­raus­set­zung für den Hoch­lauf der Was­ser­stoff­wirt­schaft. Je nach Be­rech­nung wird die Pri­mär­stahl­er­zeu­gung mit­hil­fe der Di­rekt­re­duk­ti­on ei­nen An­teil von 20 bis 40 Pro­zent des deut­schen Was­ser­stoff­be­darfs im Jahr 2030 und von 10 bis 20 Pro­zent im Jahr 2050 er­rei­chen. So­mit ist die Stahl­bran­che ein wich­ti­ger Fak­tor beim Auf­bau neu­er Was­ser­stoff­märk­te und der da­mit ver­bun­de­nen not­wen­di­gen In­fra­struk­tur.

Um die Trans­for­ma­ti­on der deut­schen Wirt­schaft hin zur Kli­ma­neu­tra­li­tät um­zu­set­zen, ist für die Pro­du­zen­ten ei­ne si­che­re und aus­rei­chen­de Ver­sor­gung mit Ener­gie un­ver­zicht­bar. Be­reits die Di­rekt­re­duk­ti­on von Ei­sen­erz mit­hil­fe des was­ser­stoff­rei­chen Erd­ga­ses (CH4) kann die CO2-Emis­si­o­nen der Stahl­in­dus­trie um zwei Drit­tel sen­ken. Da­her sind die Ver­fah­rens­um­stel­lungen von Koks auf Erd­gas und blau­en Was­ser­stoff sinn­vol­le Zwi­schen­schrit­te, bis grü­ner Was­ser­stoff in aus­rei­chen­dem Ma­ße zur kli­ma­neu­tra­len Her­stel­lung von Stahl zur Ver­fü­gung steht.

Grüner Wasserstoff aus Erneuerbarem Strom

Grüner Wasserstoff

Aus er­neu­er­ba­rem Strom wird das grü­ne Gas Was­ser­stoff.

Die Anwendungsmöglichkeiten von H2 sind vielfältig.

Verwendung

Die Ein­satz­be­rei­che von Was­ser­stoff sind sehr viel­fäl­tig.

Blauer Wassertoff unterstützt die Dekarbonisierung der Industrie.

Blauer Wasserstoff

Ak­tu­ell das wirt­schaft­li­ches Ver­fah­ren für die In­dus­trie.

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