Wasserstoff in der Gas-Infrastruktur

Die Gas-Infrastruktur bietet gewaltige Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugten Wasserstoff. Und die Einspeisung von reinem Wasserstoff ins Gas-Netz ist nicht neu: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren dem damaligen Stadtgas gut 50 Prozent Wasserstoff beigemischt – Stadtwerke und Netzbetreiber blicken somit auf langjährige Erfahrungen zurück.

Ei­ne ei­ge­ne flä­chen­de­cken­de In­fra­struk­tur für Was­ser­stoff z. B. mit Ver­tei­ler­netz, Spei­chern und Tank­stel­len gibt es nicht. Und es braucht auch kei­ne, da es be­reits das bun­des­wei­te Gas-Netz gibt, das auch dem gas­för­mi­gen Ener­gie­trä­ger Was­ser­stoff zur Ein­spei­sung und Spei­che­rung zur Ver­fü­gung steht. Das über 540.000 Ki­lo­me­ter lan­ge Gas-Netz und die exis­tie­ren­den Gas-Spei­cher bie­ten ge­wal­ti­ge Spei­cher­mög­lich­kei­ten für Was­ser­stoff.

Das Po­ten­zi­al des Gas­-Net­zes für neue Ga­se ist groß: Denn schon ein An­teil von 1 Pro­zent Was­ser­stoff am jähr­li­chen deut­schen Gas-Ver­brauch würde ei­nem Ener­gie­ge­halt von 9,3 TWh ent­spre­chen. Der von der Bun­des­re­gie­rung vor­ge­se­he­ne Was­ser­stoff­be­darf ent­sprä­che dem­nach et­wa ei­ner 10%igen Bei­mi­schung in das Gas­-Netz.

Die Gas-In­fra­struk­tur ist das ein­zi­ge schon jetzt ver­füg­ba­re Spei­cher­sys­tem in Deutsch­land, das die­se Men­ge an Ener­gie auf­neh­men und auch wie­der ab­ge­ben kann – sie ist schon heu­te was­ser­stoff­kom­pa­ti­bel. Über­schüs­si­ger Öko­strom, um­ge­wan­delt in Was­ser­stoff, kann so­mit über das Gas-Netz zu den Ver­brau­cher:in­nen trans­por­tiert wer­den. Zu­dem ver­bin­det die Gas-In­fra­struk­tur al­le Sek­to­ren – In­dus­trie, Haus­halt, Ge­wer­be und Ver­kehr – mit­ein­an­der.

Gas-Netz fast vollständig wasserstofffähig

Im Pro­jekt Ready4H2 wird un­ter­sucht, wie die eu­ro­pä­i­schen Gas­-Ver­sor­gungs­net­ze den Auf­bau ei­nes star­ken Was­ser­stoff­mark­tes un­ter­stüt­zen und die eu­ro­pä­i­schen Fit-for-55-Kli­ma­zie­le ver­wirk­li­chen kön­nen. Laut ei­nem im De­zem­ber 2021 ver­öf­fent­lich­ten Be­richt sind in 16 eu­ro­pä­i­schen Län­dern 96 Pro­zent der Gas­-Lei­tun­gen ma­te­ri­al­sei­tig für die Um­stel­lung auf Was­ser­stoff ge­eig­net. Es gilt nun auch markt­sei­ti­ge und re­gu­la­to­ri­sche He­raus­for­de­run­gen, wie z. B. Fra­gen zur Preis­ge­stal­tung, zu ver­füg­ba­ren Men­gen so­wie zum feh­len­den Re­gel­werk auf EU-Ebe­ne, an­zu­ge­hen.

Wasserstoff-Drehkreuz für Europa

Mit der Gas-In­fra­struk­tur ist be­reits das Fun­da­ment für ei­ne er­folg­rei­che Was­ser­stoff­zu­kunft ge­legt. Denn Deutsch­land ist der zen­tra­le Kno­ten­punkt im eu­ro­pä­i­schen Gas-Netz, da hier ei­ne Viel­zahl von Gas-Im­port­pipe­lines an­lan­den, und hat da­durch ein ho­hes Po­ten­zi­al für die Was­ser­stoff­her­stel­lung. Schiffs­im­por­te wür­den mit deut­lich hö­he­ren Kos­ten auf­war­ten.

Aber auch hier ent­wi­ckelt sich die Gas-In­fra­struk­tur mit Im­port­ter­mi­nals für ver­schie­de­ne Ga­se künf­tig wei­ter. Wir ha­ben ei­ne In­fra­struk­tur, die wir nut­zen kön­nen, um im Markt Was­ser­stoff zu er­zeu­gen und künf­tig im­por­tie­ren zu kön­nen. Rich­tig um­ge­setzt, kann die Na­ti­o­na­le Was­ser­stoff­stra­te­gie Deutsch­land zum eu­ro­pä­i­schen Was­ser­stoff-Dreh­kreuz ma­chen. Die Gas-Bran­che steht be­reit, um ge­mein­sam mit Po­li­tik und Ener­gie­part­nern ei­nen in­ter­na­ti­o­na­len Markt für Was­ser­stoff auf­zu­bau­en.

Vision für ein Wasserstoff-Netz

Deutsch­land ist ein Gas-Tran­sit­land und an eu­ro­pä­i­sche Re­geln zur Gas­-Qua­li­tät ge­bun­den. Das Bei­mi­schungs­po­ten­zi­al von Was­ser­stoff in das Gas­-Netz hat bei stei­gen­dem Ver­brauch so­mit Gren­zen. Der­zeit liegt die Bei­mi­schungs­gren­ze bei 10 Pro­zent. Sinn­voll und wahr­schein­lich ist es, dass die Bei­mi­schung bis zu ei­nem be­stimm­ten Pro­zent­satz er­folgt und sich ein zu­sätz­li­ches rei­nes Was­ser­stoff-Netz ent­wi­ckelt. Da­für sol­len be­ste­hen­de Gas-Lei­tun­gen auf Was­ser­stoff um­ge­stellt wer­den. Ge­ra­de bei ei­ner Zu­nah­me von H2-Au­tos und bei ei­nem flä­chen­de­cken­den Ein­satz von Brenn­stoff­zel­len zur Strom- und Wär­me­ver­sor­gung so­wie der in­dus­tri­el­len Ver­wen­dung von Was­ser­stoff muss ei­ne ent­spre­chen­de H2-In­fra­struk­tur auf­ge­baut wer­den. Da­für sol­len po­ten­zi­el­le Re­gi­o­nen zur Was­ser­stoff­er­zeu­gung mit den gro­ßen Ver­brau­chern ver­bun­den wer­den. Die­ses H2-Netz kann zur sinn­vol­len Ver­knüp­fung und gleich­mä­ßi­gen Aus­las­tung von Strom- und Gas-Netz bei­tra­gen.

H2-Startnetz 2030

Die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber haben bereits Anfang 2020 einen Vorschlag für ein deutsches Wasserstoffnetz erarbeite: Regionen zur potenziellen Wasserstofferzeugung sollten mit den großen Verbrauchern von Wasserstoff durch die Nutzung bestehender Gas-Fernleitungen verbunden werden. Das visionäre H2-Netz umfasst 5.900 Kilometer und setzt zu 90 Prozent auf dem bestehenden Gas-Netz auf. In Reichweite dieses H2-Netzes befinden sich:

  • Kavernenspeicher für die potenzielle Nutzung als Wasserstoffspeicher
  • industrielle Abnehmer wie z. B. die chemische Industrie
  • lokale Wasserstoffnetze
  • große Ballungsräume, die durch die Beimischung von Wasserstoff in die regionalen Verteilnetze CO2-Minderungen im Wärmemarkt realisieren können
  • rund 80 Prozent des Fahrzeugbestands und Teile des nicht elektrifizierten Schienenverkehrs, um einen Beitrag zur Verkehrswende zu ermöglichen
  • Regionen mit hohem Aufkommen erneuerbarer Energien zu Wasserstofferzeugung
  • mögliche Importstandorte für Wasserstoff

Im Mai 2020 veröffentlichten die Fernleitungsnetzbetreiber die konkrete Planung für das H2-Startnetz im Rahmen des Netzentwicklungsplans Gas 2020-2030 (NEP Gas) in der sogenannten Grüngas-Variante. Es soll Grüngas-Projekte zur Wasserstoff-Erzeugung in Norddeutschland mit Bedarfsschwerpunkten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verbinden. 1.100 Kilometer der bestehenden Gas-Leitungen sollen dafür auf Wasserstoff umgestellt werden und weitere 100 Kilometer Wasserstoff-Infrastruktur müssen neue geschaffen werden. Das Wasserstoff-Startnetz kann laut FNB Gas mit einer Investitionshöhe von etwa 660 Mio. Euro umgesetzt werden und würde zu einer geringfügigen Erhöhung der Fernleitungs-Netzentgelte von weniger als einem Prozent im Jahr 2031 führen. 

Gas­- und Was­ser­stoff­netz sind ei­ne Ein­heit und soll­ten da­her so­wohl re­gu­la­to­risch als auch netz­pla­ne­risch als sol­che be­trach­tet wer­den. Nur mit die­ser Per­spek­ti­ve kön­nen wir die In­fra­struk­tur volks­wirt­schaft­lich sinn­voll von Erd­gas auf Was­ser­stoff um­stel­len und den Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess zum Er­folg füh­ren. Und nur dann be­steht die Chan­ce, die Kli­ma­zie­le so­wohl in der In­dus­trie als auch im Wär­me­markt zu er­rei­chen.

Inga Posch, Geschäftsführung FNB Gas
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Wasserstoffhochlauf benötigt optimierte Regulatorien

Für die Realisierung des Markthochlaufs treibhausgasarmen Wasserstoffs muss der energiewirtschaftliche Regulierungsrahmen angepasst und optimiert werden. Dies betrifft vor allem eine passende und technologieoffene Legaldefinition im Energiewirtschaftsrecht und Änderungen weiterer Rechtsnormen wie KWK-G oder GEG sowie die Anpassung der technischen Regeln und Normen für eine Wasserstoff-Readiness der Gas-Infrastruktur.

Das Bundeskabinett hatte im Februar 2021 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht beschlossen. Der Gesetzesentwurf sah eine strikte Trennung von Erdgas- und Wasserstoffnetzen vor. Damit lehnte die Bundesregierung eine gemeinsame Finanzierung des Aufbaus der Wasserstoffinfrastruktur durch Erdgas- und Wasserstoffkunden mit Verweis auf EU-Recht ab. Da aber noch keine neue EU-Gesetzesgrundlage vorliegt, folgte im Juni die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), um eine deutsche H2-Infrastruktur schrittweise aufzubauen. 

Dabei wird nun Wasserstoff als eigenständiger Energieträger neben Gas gestellt und gilt so für reine Wasserstoffleitungen, soweit er zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet wird – für die Beimischung von H2 ins Gas-Netz bleibt der bisherige Rechtsrahmen bestehen. Auch Wasserstoffnetze, die von der Dimensionierung nicht von vornherein auf die Versorgung bestimmbarer, schon bei der Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer Kunden ausgelegt sind, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes Kunden offenstehen, werden nun eigenständig betrachtet. Ebenso werden Wasserstoffstoffspeicheranlagen separat aufgeführt. 

Das EnWG sieht für Netz-Betreiber (Bestand, neu oder Umstellung) ein einmaliges und unwiderrufliches Wahlrecht, dass ganzheitlich für den Betreiber, nicht für einzelne Leitungen gilt, vor. Sie können sich dafür entscheiden, ob sie der neu eingeführten Regulierung von Wasserstoffnetzen unterliegen wollen oder nicht. Entscheidet sich ein Netzbetreiber gegen die Regulierung, wird er nicht von den Vorgaben hinsichtlich Netzzugang, Entgeltbildung und Entflechtung erfasst. Vermutlich wird diese Entscheidung nur vorläufigen Bestand haben, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass mittelfristig die Einführung einer umfassenden Regulierung für alle verbundenen Wasserstoffnetze notwendig wird. Insgesamt wirkt die Gesetzgebung an dieser Stelle etwas unentschlossen. Dennoch scheinen mit der Perspektive einer einheitlichen Regulierung von Gas- und Wasserstoffinfrastruktur die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur aus dem bestehenden Gasnetz heraus gelegt worden zu sein.

Auf europäischer Ebene muss der weitere politische Prozess auf abgewartet werden: Anfang 2021 hatte die Europäische Kommission eine Konsultation zu ihrer Roadmap für ein Wasserstoff- und Gasmarkt-Dekarbonisierungspakets (Hydrogen and Gas Market Decarbonisation Package) initiiert. Im Juni folgte ein weiterer Konsultationsschritt, der die konkrete Überarbeitung der bestehenden Gasmarktregeln in einem legislativen "Wasserstoff- und Gasmarkt-Dekarbonisierungspaket" vorbereiten soll. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben sich dazu mit konkreten Aspekten eingebracht, die darauf abzielen

  • die Gasmarktregeln auf Wasserstoff anzuwenden, um dadurch v. a. Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen,
  • die Rolle der Gasfernleitungsnetzbetreiber so zu definieren, dass diese Wasserstoffinfrastrukturen (On- und Offshore) besitzen, betreiben und finanzieren dürfen, unabhängig davon, ob sie aus bestehender Gasinfrastruktur umgewidmet oder neu gebaut wurde,
  • eine geeignete Finanzierungs- und Entgeltregelungen für Gasfernleitungsnetzbetreiber zu schaffen, die die Deckung der Investitionskosten innerhalb eines regulatorischen Rahmens sicherstellen,
  • eine Quote für grünes Gas einzuführen, die die Lieferanten dazu verpflichtet, einen definierten Anteil grüner Gase (z. B. Wasserstoff) in ihrem Portfolio bereitzustellen, um Anreize für den Einsatz grüner Gase und den Ausbau der entsprechenden Technologien zu schaffen,
  • alle Energieinfrastrukturen (Strom, Gas und Wasserstoff) systemisch, technologieneutral und koordiniert zu planen, wobei für jede individuelle Bedarfssituation der effizienteste Infrastrukturtyp gewählt werden sollte,
  • den zu schaffenden gesetzlichen Rahmen technologieoffen zu gestalten, um keine Technologien zu behindern oder zu benachteiligen.
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