Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie wurde die einst von vielen lautstark vorgetragene Utopie der "Vollelektrifizierung" durch eine realistische Zukunftsvision ersetzt. Doch der Plan markiert nicht nur einen entscheidenden Wendepunkt der deutschen Energiepolitik. Er wird auch weit über die nationalen Grenzen hinweg wirken und im besten Fall – 70 Jahre nach der Gründung der "Montanunion" als das Fundament der Europäischen Union – als Wegbereiter für den Aufbau eines europäischen Wasserstoff-Binnenmarktes dienen.
Wasserstoff kommt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu: Nur rund ein Fünftel des deutschen Energieverbrauchs wird aktuell durch Strom gedeckt, der aktuell nur zur Hälfte durch Erneuerbare erzeugt wird. Den Rest der benötigten Energie liefern andere Energieträger. Wasserstoff kann Klimaschutz in Bereichen voranbringen, die sich sonst nur zu sehr hohen Kosten elektrifizieren lassen, wie die Industrie, der Verkehr oder der Wärmemarkt. Dafür bedarf es aber großer Mengen an Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Die Nationale Wasserstoffstrategie ist ein Meilenstein der deutschen Energiepolitik. Dennoch begeht die Bundesregierung einen Fehler. Der Bedarf wird von der Bundesregierung jedoch deutlich unterschätzt, wie die Planungen der Wasserstoffstrategie zeigen: Allein die deutsche Industrie benötigt bereits heute rund 70 Terawattstunden Wasserstoff pro Jahr – ohne dass neue, klimaschonende Prozesse eingeführt wurden. Die Regierung setzt dabei ausschließlich auf "grünen" Wasserstoff aus der Power-to-Gas Technologie. Es ist eine vielversprechende Technologie, die Sonnen- und Windstrom langfristig im Gasnetz speicherbar und in anderen Verbrauchssegmenten nutzbar macht. Ihre Marktreife wurde in dutzenden Pilotprojekten der Gasbranche erwiesen. Doch sie allein wird nicht ausreichen, um den zukünftigen Wasserstoffbedarf zu decken.