Branchennews , 02. Mär 2023
Strom und Wärme für das Krankenhaus Erkelenz: Wasserstoff-Vorzeigeprojekt für die Energieversorgung von morgen
Die Robert Bosch GmbH und die Hydrogenious LOHC NRW GmbH zeigen am Hermann-Josef-Krankenhaus (HJK) Erkelenz zum ersten Mal die Koppelung neuer Wasserstoff-Technologien in einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung. Das Projekt leistet einen Beitrag zur Energiewende und ist eines der großen Vorhaben im Rheinischen Revier, das mit seinen Forschungsergebnissen zum Gelingen des Strukturwandels beitragen soll. Das Helmholtz-Cluster Wasserstoff (HC-H2), das aus dem Forschungszentrum Jülich hervorgegangen ist und von diesem nachhaltig getragen wird, koordiniert das Demonstrationsvorhaben.
Die Ziele des Projekts mit dem Namen Multi-SOFC sind ein deutlich reduzierter CO2-Ausstoß und eine effizientere Energieversorgung für das HJK. Die Partner wollen bis Ende 2026 die innovative Kombination von zwei neuartigen Wasserstoff-Technologien demonstrieren. Damit soll eine klimafreundlichere und perspektivisch günstigere Lösung evaluiert werden. Es gilt zu überprüfen, ob die Hälfte der Grundlast des Krankenhauses über das Projekt Multi-SOFC abgedeckt werden kann. Das Demonstrationsprojekt soll ein weltweit sichtbares Modell für die künftige Energieversorgung von großen Gebäuden sein. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Multi-SOFC-Vorhaben mit 23,6 Millionen Euro.
SOFC-Anlage versorgt Krankenhaus mit Strom und Wärme
Im Mittelpunkt steht das Festoxid-Brennstoffzellen-System (SOFC; Solid Oxide Fuel Cells) der Robert Bosch GmbH zur Strom- und Wärmeversorgung. In einer späteren Ausbaustufe ab Anfang 2025 erfolgt die Versorgung mit Wasserstoff mittels der Liquid Organic Hydrogen Carrier (flüssiger organischer Wasserstoffträger, LOHC)-Technologie durch die Firma Hydrogenious LOHC NRW GmbH, einer Tochter der Hydrogenious LOHC Technologies in Erlangen. In der Energiezentrale des Erkelenzer Krankenhauses wird eine SOFC-Anlage der Leistungsklasse 100 Kilowatt, die aus zehn Brennstoffzellen-Units besteht, das bestehende Blockheizkraftwerk ergänzen. Es ist die erste Vorserien-Anlage dieser Größenordnung, die Bosch für den Regelbetrieb installiert. Die Anlage soll Mitte des Jahres in Betrieb genommen werden. Die komplette Versorgung des Hauses ist ohne die Neuinstallationen weiterhin gewährleistet.
40 Prozent weniger CO2-Emissionen
In der ersten Projektphase wird das SOFC-System mit Erdgas betrieben. Schon dabei ergeben sich im Vergleich mit dem am HJK vorhandenen und mit Erdgas betriebenen Gasmotor Vorteile: Die SOFC-Anlage erzielt einen elektrischen Wirkungsgrad von 60 Prozent, der Gasmotor erreicht etwa 36 Prozent. Damit emittieren die SOFC-Systeme bei der Stromerzeugung aus reinem Erdgas im Vergleich zum Gasmotor knapp 40 Prozent weniger CO2. Das führt im Falle des Krankenhauses im Dauerbetrieb bereits in der ersten Projektstufe zu einer CO2-Ersparnis von 150 Tonnen pro Jahr. Die Wärme, die beim Verstromen des Erdgases im SOFC-System entsteht, soll im ersten Schritt zum Beheizen des Krankenhauses genutzt werden. Mit dieser Kombination von Strom und Wärme erreicht ein SOFC-System zu Beginn des Lebenszyklus einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 85 Prozent – und ist damit hocheffizient. Im weiteren Verlauf des Projektes planen die Partner, den Wasserstoff-Anteil im Gasgemisch für das SOFC-System schrittweise zu steigern – und damit weitere CO2-Emissionen einzusparen.
Wasserstoff aus einer Trägerflüssigkeit für das SOFC-System
Ab 2025 wird das SOFC-System mit Wasserstoff versorgt, der chemisch an ein LOHC, also einen flüssigen organischen Wasserstoffträger, gebunden wurde: Der in LOHC gespeicherte Wasserstoff wird in einer vor Ort zu installierenden Dehydrierungsanlage von Hydrogenious freigesetzt, um dann in die Brennstoffzelle eingespeist zu werden. Die Wärme aus dem SOFC-System wird zum Hochfahren dieser LOHC-Anlage genutzt und soll in Zukunft auch Energie liefern, die bei der Freisetzungsreaktion des Wasserstoffs aus dem LOHC notwendig ist. Bis dahin wird das System elektrisch beheizt.
Das Projekt in Erkelenz ist das erste mehrerer Demonstratoren, die das HC-H2 im Rheinischen Revier koordiniert. Das Helmholtz-Cluster besteht aus dem 2021 gegründeten Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich und seinen Projektpartnern aus Industrie, Wirtschaft, Kommunen und Forschung. Das HC-H2 soll im Rheinischen Revier neuartige klimafreundliche Wasserstoff-Speichertechnologien zeigen, die weltweit eingesetzt werden können. Das zweite wichtige Ziel ist das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen und neuer Wirtschaftskraft im Revier als Ausgleich für den Ausstieg aus der Braunkohle, der bis 2030 erfolgt.
Die LOHC-Technologie
Bei der LOHC-Technologie, die Hydrogenious LOHC NRW in Erkelenz installiert, handelt es sich um eine innovative Lösung zur besonders sicheren und effizienten Speicherung und dem Transport von Wasserstoff. Bei der spezifischen LOHC-Technologie von Hydrogenious wird der Wasserstoff an Benzyltoluol gebunden – ein Thermalöl, das bei Umgebungsdruck und
-temperatur einfach und sicher gehandhabt werden kann. Auch mit Wasserstoff beladen ist dieses LOHC schwer entflammbar und nicht explosiv, was es unter anderem für den Einsatz am HJK prädestiniert. Darüber hinaus kommt es nicht zum so genannten Boil-Off – es geht also kein Wasserstoff aus dem LOHC verloren. Alternative Methoden – wie die Kompression bei hohem Druck oder das Verflüssigen des Wasserstoffs unter Abkühlung auf -253 Grad – sind vergleichsweise energieintensiv und erfordern einen höheren Aufwand, um den Verlust von Wasserstoff zu verhindern und die Sicherheit der Anlagen zu gewährleisten.